Susi spricht über Fehlgeburten, einen unerfüllten Kinderwunsch und den Umgang mit der Endometriose
„Nach über drei Jahren kam ich an einen Punkt, an dem ich das Bedürfnis hatte, damit nach draußen zu gehen.“
Susi, du hast von der Endometriose im Zuge einer Untersuchung bei der Kinderwunschklinik erfahren. Über diesen bislang unerfüllten Kinderwunsch sprichst du sehr offen bei Instagram. Wie du sicher weißt, bin ich eine große Bewunderin dieser Offenheit. Was ist dein Beweggrund dafür? Weshalb gehst du damit so sehr an die Öffentlichkeit?
Nun, ich habe nicht von Anfang an die Offenheit gewählt. Wir hatten zu Beginn nicht erwartet, dass die Erfüllung unseres Kinderwunsches ein so langer und steiniger Weg werden würde. Da wir uns gar nicht erst Druck machen (lassen) wollten, haben mein Mann und ich uns entschieden, es erst einmal für uns zu behalten. In den ersten Jahren wussten es nur eine Handvoll Menschen, eher noch enge Freunde als die Familie. Nach über drei Jahren kam ich an einen Punkt, an dem ich das Bedürfnis hatte, damit nach draußen zu gehen. Es machte einen so wichtigen Teil meines Lebens aus. Gerade der Umgang mit den Fehlgeburten hat mich ungemein geprägt. Das war ein Teil von mir und ich wollte diesen Teil nicht länger verstecken. Dies war die anfängliche Intention, als ich unsere Geschichte auf meinem Instagram-Profil öffentlich machte.
Merkst du dabei auch einen therapeutischen Effekt für dich?
Ja, ein Stück weit war es wohl auch ein therapeutischer Ansatz, die bisherige Reise Revue passieren zu lassen, gedanklich zu vervollständigen. Mein Kanal war schon immer ein Spiegel meiner Entwicklung, eine Art Tagebuch.
Im Netz gibt es so viele Möglichkeiten der Information, doch Betroffene müssen sich alles mehr oder weniger mühsam zusammensuchen. Mir persönlich fehlte dieser ganzheitliche Ansatz. Man hat die Diagnosen der Ärzte, Heilpraktiker, die schon tiefer gehen und schonend Symptome behandeln und Balance im Körper herstellen. Findet widersprüchliche Informationen und hat Freunde von Freunden, die das auch erlebt haben: „Du musst unbedingt dies und jenes machen.“ Unzählige gut gemeinte Ratschläge, Behandlungsmöglichkeiten, die Hoffnungen schüren und genauso viele Betroffene, die immer wieder Rückfälle verkraften müssen. Mir war immer wichtig, nicht nur die positiven Seiten des Kinderwunsches zu kommunizieren. Ich wollte mit unserer Geschichte informieren, Achtsamkeit für dieses Thema schaffen – auch bei Nicht-Betroffenen - und hoffentlich am Ende Mut machen, dass es sich lohnt, die Hoffnung nicht zu verlieren.
Wie geht dein Partner damit um, dass du die Welt von eurer Situation teilhaben lässt? Tut er sich schwer damit, oder fiel es ihm im Gegenteil sogar leichter darüber zu sprechen als dir?
Mein Mann hätte diesen Weg der Offenheit eher nicht gewählt, aber er hat mich von Beginn an bestärkt. Ich konnte es frei für mich selbst entscheiden. „Tu, was dir gut tut“, sind seine Worte.
So ein unerfüllter Kinderwunsch und all das, was damit einhergeht, kann auch durchaus mal Streitpunkt werden. Wie geht ihr damit um?
Unsere Kinderwunschreise war auch eine Reise für uns. Zu uns selbst und zu uns als Paar. Von Beginn an waren wir entspannt, haben nichts überstürzt, was Behandlungsmöglichkeiten angeht. Wir genießen bis heute unsere Freiheiten, lieben beide das Reisen. Ich habe in der ganzen Zeit kaum mal bewusst das Gefühl gehabt, dass das Kinderwunschthema einen zu großen Raum einnimmt, eher noch durch Thematisierung unseres Umfelds. Doch schließlich sind wir auch immer noch Individuen mit eigenen Bedürfnissen, Träumen und Sehnsüchten. Eine Familie zu gründen war „nur“ eines davon.
Ich finde, du bist eine unglaublich inspirierende und mutige Frau, weil du so offen mit deiner Geschichte umgehst. Du gibst anderen Frauen dadurch Mut und zeigst jeder einzelnen, die etwas ähnliches erlebt, dass sie nicht allein ist. Würdest du auch anderen Frauen raten offen über einen unerfüllten Kinderwunsch zu sprechen?
Das ist nichts, was ich pauschal raten würde. Mir persönlich hat es geholfen, mich gesehen zu fühlen und mich zum Austausch mit anderen zu verbinden. Doch es gibt so viele Arten, mit der Situation umzugehen wie es Menschen gibt. Jeder darf da seinen eigenen Weg finden. Gleichzeitig macht es mich sehr froh, dass immer mehr Betroffene die Offenheit wählen, denn es wird gebraucht - Frauengesundheit und unerfüllter Kinderwunsch darf kein Tabuthema mehr sein.
„Nach unzähligen Tests, Versuchen, Ansätzen verabschiede ich mich langsam von dem Drängen auf Antworten.“
Bei dir ist es nicht das Schwangerwerden, was nicht klappt, die Herausforderung ist, das Kind zu behalten. Kannst du erklären, weshalb das so ist?
Die Frage, warum ich die Embryonen nicht halten kann, begleitet uns viele Jahre. Nach unzähligen Tests, Versuchen, Ansätzen verabschiede ich mich langsam von dem Drängen auf Antworten. Die Schaffung von Leben braucht so viele kleine Stellschrauben. In meinem Fall vermute ich inzwischen, dass es eine Kombination aus vielen ist. Hormone, Immunologie, die Psyche ... Und wer weiß, vielleicht hat das Universum auch einfach andere Pläne mit uns. Der Mensch ist nicht gut darin, Kontrolle abzugeben. Manchmal werden wir dazu gezwungen.
So eine Kinderwunschbhehandlung ist eine enorme Anstrengung für dich und deinen Körper aber natürlich auch seelisch. Habt ihr eine Grenze festgelegt, einen Punkt an dem ihr sagt: „Jetzt schlagen wir einen anderen Weg ein. Bis hierhin und nicht weiter“?
Eine Grenze haben wir bisher nicht festgelegt. Ich sage dir ganz ehrlich, was ein Grund für mich war: Für mich hat das immer Scheitern und Hoffnungslosigkeit bedeutet. Ich bin bei beidem nicht gut darin, das anzunehmen (lacht). Bis vor kurzem war ich nicht einmal bereit, mich der Möglichkeit zu stellen, eventuell nicht Mutter werden zu können. Das stand für mich so außer Frage, dass ich diesen Gedanken immer ganz schnell weggeschoben habe.
Uns hat immer Hoffnung gemacht, dass wir noch jung genug sind und Zeit haben, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Wir haben noch längst nicht das Ende der Optionen erreicht, das ist ein großes Glück.
Jede sechste Frau hat in ihrem Leben mindestens einen Abort, also einen Abgang des Embryo, oder schlicht: eine Fehlgeburt. Jeder von uns hat also theoretisch eine Bekannte oder Freundin, die bereits wissentlich eine Fehlgeburt erlebt hat. Zählt mensch auch die Frauen hinzu, die zum Zeitpunkt des Abganges gar nicht wussten, dass sie schwanger waren, erhöht sich die Zahl nochmals deutlich. Dann liegt sie bei 50 - 70 Prozent. Mehr als jede zweite Frau weltweit hat also einmal im Leben eine Fehlgeburt. (Quelle: https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/wir-sollten-offener-ueber-fehlgeburten-sprechen/)
„Am schwersten war es, wenn ich den Herzschlag des Embryos schon gesehen und gehört habe.“
Susi, Du hattest fünf wissentliche Aborte. Wie gehst du damit um?
Da ist einmal der körperliche Aspekt, der in meinen Fällen nicht so schwer wiegt wie der psychische. Ich habe die Schwangerschaften bisher immer schon spätestens in der 10. Woche verloren. Damit möchte ich keinesfalls relativieren, dass Aborte in der Frühschwangerschaft weniger schlimm sind. Das Erleben ist in jedem Fall höchst individuell. Für mich waren die Fehlgeburten körperlich gut zu verkraften. Psychisch war es unterschiedlich. Ich kann sagen, dass es immer dann am schwersten war, wenn ich den Herzschlag des Embryos schon gesehen und gehört habe. Es tut unbeschreiblich weh, ein Leben und damit verbundene Hoffnungen gehen zu lassen. Unabhängig davon, in welcher Woche einer Schwangerschaft.
Die Frage mag etwas unpassend wirken, aber wird das irgendwann leichter?
Leichter wird es mit der Zeit nicht. Das ist auch nichts, woran ich mich gewöhnen möchte. Manche werden vielleicht abgeklärter, was traurig ist, sollte eine Schwangerschaft doch immer ein Grund zur Freude sein, ja sogar einen gewissen Zauber innehaben. Leider hat die Natur manchmal andere Pläne, auch wenn es schmerzt, dies zu akzeptieren.
„Diese Energie, die alles aus mir herauszieht, mich wie eine Welle überrollt, wenn es wieder heißt - kein Herzschlag mehr […]“
Die bisherigen Fehlgeburten bedeuten sicher auch eine enorme psychische Anstrengung für dich, bei jeder neuen Schwangerschaft, oder?
Es tut weh, sich nicht mit jedem weiteren geglückten Versuch unbelastet auf die neue Schwangerschaft freuen zu können. Körper und Geist erinnern sich an den vergangenen Schmerz, an den Punkt, an dem man schon war. Da sind Zweifel und die Hoffnung, diesmal über diesen Punkt hinauszukommen. Der Schmerz, wenn der Partner sich aus Selbstschutz schon gar nicht mehr freuen mag, während ich selbst versuche, alle Kraft und Hoffnung zu sammeln, um positive Energie auf das neue Leben in mir zu lenken.
Diese Energie, die alles aus mir herauszieht, mich wie eine Welle überrollt, wenn es wieder heißt - kein Herzschlag mehr, oder Blutungen und starke Unterleibskrämpfe des nahenden Abgangs. Ich bin ehrlich: Dieser Schmerz lässt sich nicht gutreden.
Wie stehst du das immer wieder durch? Hast du einen Tipp für Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind? Wie können sie mit dem stillen Verlust, mit der Trauer umgehen?
Wie mit allen emotionalen Herausforderungen rate ich: Fühlen, fühlen, fühlen. Wir dürfen uns den Raum nehmen, den wir brauchen, um uns zu verabschieden. Wir sind gesellschaftlich darauf konditioniert, zu funktionieren. Doch es ist so wichtig, alles zu fühlen, was da ist. Energien, die sich sonst im Körper sammeln und uns langfristig sogar schaden können, dürfen losgelassen werden, und wenn wir loslassen, schaffen wir Platz für Neues.
Bitte bedenkt, weder Susi noch ich sind Mediziner. Was wir hier an euch weitergeben ist unser rein subjektives Empfinden. Eine Fehlgeburt ist eine einschneidende Erfahrung, die von jeder Frau anders erlebt wird. Was der einen hilft, muss nicht auch einer anderen helfen. Deshalb wendet euch mit Fragen oder eurer Trauer gern an eine Trauerbegleiterin oder an Pro Familia. Bei einer Fehlgeburt habt ihr außerdem Anspruch auf Hebammenhilfe. Die Kosten dafür übernimmt eure Krankenkasse, bei der ihr euch auch informieren könnt.
Das sind alles sehr, sehr schwere Themen. Nicht umsonst werden gynäkologische Erkrankungen, unerfüllte Kinderwünsche oder gar Fehlgeburten in Deutschland tabuisiert. Doch trotz der Schwere, bist du ein unglaublich positiver, lebensbejahender Mensch. Was ist dein Geheimrezept?
Das werde ich oft gefragt. Kurz beantwortet würde ich sagen, Resilienz und Vertrauen. Wenn ich auf die letzten fünf Jahre zurückblicke, kann ich es selbst nicht fassen, was alles passiert ist. Wenn ich mich mitten im Prozess (so nennt sich die Behandlungs-Phase) befinde, habe ich ein höheres Ziel - meinen Kinderwunsch - vor Augen und ich tue das, was getan werden muss, um es zu erreichen.
Mit Abstand nehme ich wahr und erkenne an, was ich alles auf mich genommen habe, was mein Körper geleistet hat, wie Geist und Seele gelitten haben, was für eine Belastungsprobe die Kinderwunschreise zeitweise für meine Beziehung war.
Doch ich blicke auch voller Dankbarkeit zurück und sehe, wie unfassbar mich alles in dieser Zeit zu mir selbst geführt hat. Wie der Weg mir gezeigt hat, wer ich bin, wer ich sein kann, was mir wichtig ist, wovon ich mehr und wovon weniger in meinem Leben möchte. Dass ich unglaublich viel Kraft in mir habe, und gleichzeitig auch das Bewusstsein, nicht alles allein stemmen zu müssen.
Wir fühlen uns oftmals allein auf der Reise. Doch das sind wir nicht. Das gibt mir Kraft.
Vielen Dank für das sehr ehrliche Gespräch!
Wenn euch Susis Instagram-Profil interessiert, ihr ihr direkt schreiben oder ihr folgen wollt, dann findet ihr sie unter halitopas
Teil 1 meines Gespräches mit Susi könnt ihr hier nachlesen.
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Marina (Montag, 21 März 2022 16:31)
Das Interview ist so einfühlsam. Es war wirklich schön, dass zu lesen, auch wenn "schön" hier sicher nicht die richtige Vokabel ist. Ich erkenne mich in Susi total wieder, kann ihre Gefühle so sehr verstehen und fühlen. Toll, dass jemand so offen und ehrlich über seine Erfahrungen spricht und toll, dass du so mutig bist, die richtigen Fragen zu stellen.